Konichiwa,

in keinem Land der Erde wird so viel geschlurft wie in Japan. Steht man irgendwo, hoert man dieses Geraeusch schon von weitem. Links, rechts, hinter einem, von vorne sieht man es auch. Das kommt daher, das zum einen die Japaner meistens die Schuhgroesse eine Nummer zu gross waehlen (damit man sie schneller an und ausziehen kann), zum anderen, das der Asiate im Gegensatz zu uns Europaeern keinen Hohlraum unter dem Fuss hat, sondern einen Plattfuss. So entsteht dieses allgegenwaertige Gerauesch und die seltsame Art der Fortbewegung. In diesem Stil laufen und rennen sie an einem vorbei, als gaebe es etwas umsonst. Auf der Rolltreppe links an einem vorbei, um dann unten an der Wartestelle der Bahn wieder von uns eingeholt zu werden. Man springt dann aber auch wirklich in die ankommende Bahn und quetscht sich irgendwie noch rein. Und so viele tun das gleichzeitig. Oh mein Gott.

Immer dann, wenn man glaubt, es gibt keine Steigerung mehr, kommt sie. So auch am vergangenen Freitag, 18.07., in Kyoto.

Ein Privatkomzert mit Frau Naito im Hause des Filialleiters des japanischen Zitherverbandes in Kyoto. Nakamura san hiess der gute Herr. Er holte uns persoenlich am Bahnhof ab und fuehrte uns dann zu seinem Haus. Davor angekommen, ueberall selbstgemalte Schilder mit Hinweis auf das Zithertreffen bei ihm zu Hause. Wir wurden ins Haus gebeten, Schuhe ausziehen, Platz nehmen in einem sogenannten Empfangsraum. Gekuehlter Tee mit einer Kleinigkeit wurde serviert. Alles ganz normal, eher unscheinbar. Dann hiess es Schuhe wieder anziehen, ueber den Hof zu einer Art Garage|Halle. Die Tuer ging auf. Vor uns wuselten Frauen hin und her, in einer grossen Art Badewanne schwammen Getraenkedosen, u.a. verschiedene Arten von Bierdosen im Eiswasser. Das mit der Kuehlung ist hier wirklich ganz wichtig.

Dann weiter in einen anderen Raum. Hier sassen bereits 30 geladene Gaeste auf ihren Stuehlen. Rringsum Regale, bestueckt mit Schaetzen|Altertuemchen von Schallplatten, Bildern, CD s, Abspielgeraeten. Am Ende des Raumes zwei riesengrosse Grammophone. Wert lt. Hana je Stueck ueber 2 Smarts, Hana rechnet teure Sachen immer in Smarts. 1 Smart 10.000 Euro. Ich muss hier wieder das Wort unglaublich bemuehen. Wagner, Beethoven, Strauss, Enrico Caruso, Zither, alles was das Musikherz an Klassik und so, begehrt.
Was haben die Japaner nur an unseren alten Meistern fuer ein Gefallen.

Herr Nakamura begruesste die Gaeste und stellte uns vor. Ich sprach ein paar Grussworte auf deutsch, Hana uebersetzte, Frau Naito begruesste anschliessend und dazwischen immer verneigen.

Frau Naito und ich nahmen dann an 2 Zithertischen Platz und wir begannen mit unserem Konzert. Vor mir links die Maenner, rechts die Frauen.
Der Schmetterling, Am Woerthsee, Alt Muenchen, Der Weg zum Herzen, die singende Zither, mein Johann Strauss Medley, Hanas Jodler. Andaechtig wurde zugehoert und applaudiert. Die Temparatur im Raum stieg. Es wurde gefaechert und gewischt. Pause. Dann weiter mit japanischen und deutschen Volksliedern. Begeistert wurden Heideroeslein, Lili Marleen, Loreley, Muss i denn, mitgesungen. Dann noch mein Vater war ein Wandersmann mit Klatschbegleitung. Wien bleibt Wien hinterher (immer noch Klatschbegleitung und Rosamunde, natuerlich mit weiterklatschen). 2 Zugaben dann Schluss.

Die Bierdosen wurden serviert, dazu ein Tablett mit in Algenblaetter eingerolltem Reis und Fischbaellchen. Das Tablett wurde vor mich auf den Tisch gestellt. Es traute sich natuerlich keiner dran. Ich fragte Hana, ob ich nicht gegen Sitte und Anstand verstosse, wenn ich damit rundginge. Nein, ich durfte. Also Tablett geschnappt und von Stuhl zu Stuhl damit. Siehe da, die Gaeste hatten Hunger. Mutig wurde zugegriffen, mal direkt auch zwei oder drei. So kam man in die Konversation. Es wurde entspannt und laut. Man prostete sich mit den Bierdosen freundlich zu und freute sich. Ich auch.

Einer der Gaeste setzte sich an einen dieser riesigen Grammophone. Schwengelte die Kurbel und es ertoente nach einigem Kratzen die Stimme von Enrico Caruso. Absolute Stille im Raum. Welch ein Klangvolumen. Unermuedlich wurde gekurbelt und ein Klassiker nach dem anderen gehoert.

Dann wurde auf einem normalen Schallplattenspieler Chanteclair von Stelzl, gespielt von Muehlhoelzl, abgespielt. Ich traute meinen Ohren kaum. Ich spiele ja nicht gerade langsam. Aber mit welcher Schnelligkeit und Praezession dieser Muehlhoelzl das Stueck spielte. Unfassbar. Weitere Stuecke im Originalton von Freundorfer folgten. Dann fragte man mich, ob ich auch ein Stueck vom Grammophon hoeren moechte und hielt mir eine weitere Schallplatte von Caruso hin. Ich entdeckte darauf das Lieblingslied meines Opas. Santa Lucia. Aufgelegt, gekurbelt, gekratzt, dann der Ton. Ich schloss die Augen, genoss und dachte an meinen Opa. Schliesslich war er es, dem ich das alles zu verdanken hatte. Er brachte mich zur Zithermusik und hatte die Unterrichtsstunden bezahlt. Ich verharrte wirklich in mir.

Lied zu Ende, es wurden Fotos gemacht. Interessiert schaute ich mir die Regale voller Schallplatten an und entdeckte eine von Johann Strauss. Drauf der Kaiserwalzer. Ich liess die Platte auflegen und kurbeln. Zuvor hatte ich geguckt, ob der Platz ausreichend bemessen war. Er war. Ich mutig eine der Damen zum Tanz aufgefordert. Ihr war anzusehen, wie der Schreck in Glieder fuhr. Ringsrum Gekicher und Klatschen. Sie hatte keine Chance. Ich versuchte, diesem zierlichen Persoenchen nicht auf die Fuesse zu treten und in den Walzertakt zu kommen. Maessiger Erfolg. Also die Dame eine Drehung vollenden lassen, Dankeschoen sagen und zum Platz zurueck bringen. War die erleichtert. Der Kaiserwalzer lief auf vollen Touren. Ich hatte Hana vorher gebten, die Videokamera zu starten. War das Ziel dieser Uebung doch ein Tanz mit Frau Naito. Ich forderte danach Hana zum Tanze auf. Das war nicht abgesprochen. Also auch hier der Ausruf des Erstaunens. Aber das war ja Tanzen. Es ging im Walzertakt dahin. Kurze Drehung, Verabschiedung und Ziel Frau Naito anvisiert. Zwischendurch den Kaiserwalzer nochmal ankurbeln lassen und Frau Naito aufgefordert. Sofort wieder Gekicher und Klatschen. Die arme Frau Naito musste mit auf die Tanzflaeche. Sofort merkte ich, wie musikalisch und schrittsicher sie den Walzertakt beherrschte. Das machte sie nicht zum erstenmal. Wir kamen in Schwung und ihr gefiel es sichtlich, sie packte auch beherzter zu als zu Beginn, waehrend mir zunehmend der Schweiss ueber den Ruecken perlte.

Taenzchen gelungen mit viel Applaus. Dann nach und nach Verabschiedung der Gaeste.

Auch wir wollten uns langsam auf den Rueckweg machen und uns verabschieden. Ein dagebliebener Gast, Hayakawa san, liess aber durchblicken, das ginge nicht, es gaebe noch eine Ueberraschung. Also warteten wir.

3 Taxen fuhren vor und wir wurden zum einem Restaurant gefahren. Frau und Herr Nakamura, Frau Naito, Hayakawa san, unser stetig begleitender 83 jaehriger Herr Imamura und wir. Vor dem Hotel angekommen, liess sich schon erahnen, teuer !

Eingetreten, edles Ambiente, Damen im Kimono erwarteten uns, Schuhe ausziehen, Kimonodamen folgen und dann auf die Aussenterasse mit einem Blick auf den Fluss und die Stadt Kyoto. Ich sage es ungern wieder, aber unglaublich.

Wir hatten eine abgeteilte Sitzecke, in dem wir es uns in kleinen Stuehlen bequem machten. Besser als knien, dachte ich. Vor den Stuehlen standen Tabletts in Schienbeinhoehe. Ich ueberpruefte noch kurz, ob meine Socken auch keine Loecher hatten, und versuchte es mir, bequem zu machen. Na ja. Mir gegenueber, wie immer die arme Frau Naito, damit abgeschnitten von der japanischen Sprache.

Es folgte ein 10 Gaenge Menue vom Feinsten. Auf den Tabletts stand ein leerer Topf mit einer Kerze drunter. Es wurde Bier und Sake serviert. Dies darf man sich aber nicht selbst einschuetten, sondern man wartet, bis ein anderer sich dessen annimmt. Hier waren es anfangs die Kimonodamen. Da wir bereits niedrig sassen, mussten diese wirklich in die Bodenlage, um uns zu bedienen. Sie schuetteten immer wieder ein, erklaerten mir freundlich bei jedem Gang, welche Sosse ich in welches Schaelchen zu kippen hatte, damit auch alles richtig zusammen kommt. Immer anerkennend nickend nahm ich es auf und achtete sehr darauf, was meine Gegenueber so machten.

Es wurde ein Tablett nach dem anderen serviert. Immer alles roh und immer alles Fisch. Ich mag denselben ja, aber meistens in anderer Form. Es schmeckte soweit alles sehr lecker, wenn ich auch nicht wusste, was ich da aas. Bis auf einen kleinen Fisch mit Kopf und Graeten wurde so ziemlich alles aufgegessen. Dann kam er. Ein groesserer Fisch. Mit Kopf und Graeten, etwas gekruemmt auf dem Teller liegend. So eine Art Hauptgang. O weh, dachte ich. Gucken, was die anderen damit machten. Herr Imamura fing als erster an. Mit den Staebchen versuchte er, den Fisch zu zerlegen und auseinanderzunehmen. Es erschienen kleine Teile Fleisch, die er gekonnt mit den Staebchen aufnahm und in seinen Mund zelebrierte. So machts Du es auch, dachte ich. Dann kam Hayakawa san. Er machte kurzen Prozess. Mund auf, Kopf von Fisch hinein, Mund zu, Kopf abgebissen und genuesslich gekaut. Ich traute meinen Augen nicht und dachte in dem Moment an eine Flasche Underberg.

Mein Magen nahm Fahrt auf. Ich zerlegte diesen Fisch ungekonnt mit den Staebchen, nahm Alibihalber etwas von dem Fleisch auf und deckte soweit es ging diesen Fisch in Klappform zu.

Es wurden die Kerzen unter den Toepfen angezuendet und ein Teller mit rohen Tintenfischstreifen gebracht.
Die Kimonodamen schuetteten Suppe in die Toepfe und warteten, bis sich diese erhitzte. Sobald das der Fall war, schuetteten sie die  Tintenfischstreifen zur Suppe. Sie kraeuselten sich und so braute sich ein leckeres Sueppchen zusammen.

Nun war ausreichend Suppe vorhanden, die immer wieder mit einem Loeffelchen in eine kleine Schale umgefuellt wurde und so getrunken werden konnte. Nach all dem Rohen eine willkommene Alternative.

Es ging weiter mit etwas glibbrigem Fisch in Schuesselchen und so. Tapfer durchhaltend habe ich da mitgemacht. Nach so drei Stunden fingen dann die Knie an zu schmerzen, die Haltung wurde ermuedend und die Dunkelheit kam. Ueberall jetzt Lichterketten zu sehen. Tolles Ambiente und fazinierender Blick auf die Stadt. Der Nachtisch kam. Unermuedlich die Kimonofrauen.

Obst, Eis, Eiskaffee, heisser Tee, alles dabei, wirklich sehr lecker.

Dann war es geschafft. Beim Aufstehen knirschten die Graeten, um beim Essen zu bleiben, man verabschiedete sich. Verbeugen, Danke sagen fuer die tolle Einladung und so, so.

Ich dachte an zu Hause und mein Magen an den Underberg. Soviel rohen Fisch auf einmal hatte ich noch nie gegessen. Ich schlurfte auch ich diesmal nach Hause.

Ein weiteres Erlebnis dieser Art sollte folgen.

Sayonara

 

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